Von P. Bernward Deneke FSSP
Der englische Schriftsteller und Konvertit G. K. Chesterton (+ 1936) hat es meisterhaft verstanden, in seinen Father-Brown-Geschichten kriminalistischen Scharfsinn mit Heiterkeit zu verbinden. Sein Held, der kleine und rundliche Priester-Detektiv Father Brown, bringt aber immer wieder auch manches Bedenkenswerte zu Fragen der Weltanschauung und des Glaubens zur Sprache.
Einmal (in der Erzählung „Das blaue Kreuz“) ist er einem Dieb auf der Spur. Dabei kommt er mit einem Priester ins Gespräch, der sich nicht nur äußerlich, durch seine große, schlanke Gestalt, sondern auch inhaltlich von Father Brown unterscheidet. In der Unterredung sagt er nämlich angesichts des sternenübersäten Himmels: „Ach ja, die modernen Ungläubigen rufen ihre Vernunft an. Wer aber kann diese Millionen von Welten anschauen und nicht empfinden, dass es über uns wunderbare Universen geben mag, in denen Vernunft vollkommen unvernünftig ist?“
Das mag vielen frommen Lesern so recht aus dem Herzen gesprochen sein. Ja, die Ungläubigen beten ihre Vernunft an, wir aber werfen sie in der Kraft unseres Glaubens vom Sockel! Um so erstaunter ist man dann, die Antwort des Father Brown zu erfahren: „Nein, Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, jenem verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß, dass viele der Kirche vorwerfen, sie setze die Vernunft herab, aber es ist genau umgekehrt. Auf Erden räumt nur allein die Kirche der Vernunft ihre wahre Hoheit ein.“
Die Standpunkte, die hier aufeinanderprallen, liegen seit den Anfängen der Kirche miteinander im Kampf. Dass dieser Streit in unseren Tagen wieder aufgeflammt ist, daran trägt der gegenwärtige Denkerpapst Benedikt XVI. ein gerütteltes Maß an „Mitschuld“. Er, der oft von der Vernunftgemäßheit des Glaubens spricht, wendet sich ja gegen den Vorwurf, die religiösen Menschen verweigerten sich der Vernunft, und zeigt, wie er auf diejenigen zurückfällt, die ihn erheben. Denn ist es nicht wahre Unvernunft, die ersten und letzten Fragen von vornherein aus dem Kreis des Denkens auszublenden? Papst Benedikt XVI. steht offensichtlich mehr auf der Seite des Father Brown, der die Vernunft in Schutz nimmt, als auf der seines Mitbruders.
Vernunftgemäßer Glaube: In dieser Formel ergeht zugleich eine Absage an die vernünftelnde Religionsfeindschaft und an die religiöse Vernunftfeindschaft, die wir aus Äußerungen wie den folgenden kennen: „Der Glaube ist Sache des Herzens, nicht des Kopfes.“ „Nicht groß darüber nachdenken – einfach glauben!“ „Echter Glaube ist nun einmal unvernünftig.“ (Übrigens lautet schon ein alter, fälschlicherweise dem Kirchenschriftsteller Tertullian zugeschriebener Spruch: „Credo quia absurdum – Ich glaube, weil es absurd ist.“)
Nicht nur die aufgeklärten Verächter der Religion, sondern auch die gläubigen Verächter der Vernunft sind es also, die von Father Brown und Benedikt XVI. kritisiert werden. Damit liegen der fiktive Priester-Detektiv und der heutige Papst, dieses ungleiche Paar, ganz auf der Linie des ersten Papstes und seiner Forderung, wir Christen sollten stets bereit sein zur Verantwortung gegenüber jedem, der Rechenschaft fordert über die in uns lebende Hoffnung (1 Petr 3,15); denn solche Rechenschaft ist ja nur möglich auf der Basis einer gemeinsamen Vernunft. Man findet dasselbe Anliegen bei den frühen Apologeten, z.B. dem heiligen Martyrer Justinus, der den christlichen Glauben gegenüber der römischen Staatsmacht mit rationalen, philosophischen Argumenten verteidigte, bevor er ihn um das Jahr 165 mit seinem eigenen Blut bezeugte.
Die Kirche hält die Vernunft in Ehren, weil diese wie der Glaube aus Gott stammt. Der richtige Vernunftgebrauch führt daher nicht von Gott weg, sondern zu Ihm hin. Und deshalb ist das Christentum kein irrationales, hermetisch abgeriegeltes, esoterisches System, sondern ein Heiligtum, dessen Schwelle man mit der Vernunft erreichen kann – hinüber gelangt man allerdings erst in der Gnade des Glaubens!
Übrigens überführt Father Brown am Ende der Geschichte seinen Gesprächspartner als Dieb, entlarvt ihn darüber hinaus als falschen Priester. Auf dessen erstaunte Frage, woran er das denn erkannt habe, gibt der Priester-Detektiv die schlichte Antwort: „Sie haben die Vernunft angegriffen – das ist schlechte Theologie.“
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Auch noch zum Thema "Glaube und Vernunft" oder auch "Was ist 'vernünftig'?":
Der englische Schriftsteller und Konvertit G. K. Chesterton (+ 1936) hat es meisterhaft verstanden, in seinen Father-Brown-Geschichten kriminalistischen Scharfsinn mit Heiterkeit zu verbinden. Sein Held, der kleine und rundliche Priester-Detektiv Father Brown, bringt aber immer wieder auch manches Bedenkenswerte zu Fragen der Weltanschauung und des Glaubens zur Sprache.
Einmal (in der Erzählung „Das blaue Kreuz“) ist er einem Dieb auf der Spur. Dabei kommt er mit einem Priester ins Gespräch, der sich nicht nur äußerlich, durch seine große, schlanke Gestalt, sondern auch inhaltlich von Father Brown unterscheidet. In der Unterredung sagt er nämlich angesichts des sternenübersäten Himmels: „Ach ja, die modernen Ungläubigen rufen ihre Vernunft an. Wer aber kann diese Millionen von Welten anschauen und nicht empfinden, dass es über uns wunderbare Universen geben mag, in denen Vernunft vollkommen unvernünftig ist?“
Das mag vielen frommen Lesern so recht aus dem Herzen gesprochen sein. Ja, die Ungläubigen beten ihre Vernunft an, wir aber werfen sie in der Kraft unseres Glaubens vom Sockel! Um so erstaunter ist man dann, die Antwort des Father Brown zu erfahren: „Nein, Vernunft ist immer vernünftig, selbst in der letzten Vorhölle, jenem verlorenen Grenzland der Dinge. Ich weiß, dass viele der Kirche vorwerfen, sie setze die Vernunft herab, aber es ist genau umgekehrt. Auf Erden räumt nur allein die Kirche der Vernunft ihre wahre Hoheit ein.“
Die Standpunkte, die hier aufeinanderprallen, liegen seit den Anfängen der Kirche miteinander im Kampf. Dass dieser Streit in unseren Tagen wieder aufgeflammt ist, daran trägt der gegenwärtige Denkerpapst Benedikt XVI. ein gerütteltes Maß an „Mitschuld“. Er, der oft von der Vernunftgemäßheit des Glaubens spricht, wendet sich ja gegen den Vorwurf, die religiösen Menschen verweigerten sich der Vernunft, und zeigt, wie er auf diejenigen zurückfällt, die ihn erheben. Denn ist es nicht wahre Unvernunft, die ersten und letzten Fragen von vornherein aus dem Kreis des Denkens auszublenden? Papst Benedikt XVI. steht offensichtlich mehr auf der Seite des Father Brown, der die Vernunft in Schutz nimmt, als auf der seines Mitbruders.
Vernunftgemäßer Glaube: In dieser Formel ergeht zugleich eine Absage an die vernünftelnde Religionsfeindschaft und an die religiöse Vernunftfeindschaft, die wir aus Äußerungen wie den folgenden kennen: „Der Glaube ist Sache des Herzens, nicht des Kopfes.“ „Nicht groß darüber nachdenken – einfach glauben!“ „Echter Glaube ist nun einmal unvernünftig.“ (Übrigens lautet schon ein alter, fälschlicherweise dem Kirchenschriftsteller Tertullian zugeschriebener Spruch: „Credo quia absurdum – Ich glaube, weil es absurd ist.“)
Nicht nur die aufgeklärten Verächter der Religion, sondern auch die gläubigen Verächter der Vernunft sind es also, die von Father Brown und Benedikt XVI. kritisiert werden. Damit liegen der fiktive Priester-Detektiv und der heutige Papst, dieses ungleiche Paar, ganz auf der Linie des ersten Papstes und seiner Forderung, wir Christen sollten stets bereit sein zur Verantwortung gegenüber jedem, der Rechenschaft fordert über die in uns lebende Hoffnung (1 Petr 3,15); denn solche Rechenschaft ist ja nur möglich auf der Basis einer gemeinsamen Vernunft. Man findet dasselbe Anliegen bei den frühen Apologeten, z.B. dem heiligen Martyrer Justinus, der den christlichen Glauben gegenüber der römischen Staatsmacht mit rationalen, philosophischen Argumenten verteidigte, bevor er ihn um das Jahr 165 mit seinem eigenen Blut bezeugte.
Die Kirche hält die Vernunft in Ehren, weil diese wie der Glaube aus Gott stammt. Der richtige Vernunftgebrauch führt daher nicht von Gott weg, sondern zu Ihm hin. Und deshalb ist das Christentum kein irrationales, hermetisch abgeriegeltes, esoterisches System, sondern ein Heiligtum, dessen Schwelle man mit der Vernunft erreichen kann – hinüber gelangt man allerdings erst in der Gnade des Glaubens!
Übrigens überführt Father Brown am Ende der Geschichte seinen Gesprächspartner als Dieb, entlarvt ihn darüber hinaus als falschen Priester. Auf dessen erstaunte Frage, woran er das denn erkannt habe, gibt der Priester-Detektiv die schlichte Antwort: „Sie haben die Vernunft angegriffen – das ist schlechte Theologie.“
Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)
Auch noch zum Thema "Glaube und Vernunft" oder auch "Was ist 'vernünftig'?":
+ + +
Witzig, hab die Geschichte gestern erst gelesen :)
AntwortenLöschenDanke für's veröffentlichen.
P.Denekes Texte sind eine große Bereicherung!