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Freitag, 9. März 2012

Die Grundlage jeder Erneuerung: Der Glaube (7)

 Prof. DDr. Josef Seifert  (1976)

Fortsetzung Teil 7

Der Primat des Glaubens

Wenn wir nun tiefer in unser Thema eindringen wollen, müssen wir hier kurz innehalten und die verschiedenen Dimensionen betrachten, in denen sich der Primat des Glaubens für und über alle Erneuerung erweist.

1.  Was hier zunächst deutlich wird, ist die Tatsache, daß der Glaube mit der Wahrheit zu tun hat; er ist die Zustimmung zur Wahrheit und damit letztlich zu Gott, der die Wahrheit selbst ist. Deshalb können wir erstens den Glauben als unabdingbare Grundlage verstehen, wenn wir sein Objekt betrachten: die Wahrheit in ihrem Absolutheitsanspruch in jeder Hinsicht.

Auch wenn wir für einen Augenblick von der Heilsnotwendigkeit des Glaubens für den Menschen absehen, ja sogar von der durch den Glaubensakt geleisteten Verherrlichung Gottes, kann uns der unendliche Wert des Glaubens aufgrund seines Objektes, der Wahrheit, aufgehen; daß es einen lebendigen und unendlich heiligen Gott gibt, daß Christus der lebendige Sohn Gottes ist, der uns liebt - diese Wahrheit ist in sich von größerer Bedeutung als alle Folgerungen, die sich daraus für die ganze Welt ergeben.

Das Gewicht und die Bedeutung dieser Wahrheit ist größer als alle Früchte, die diese Wahrheit im Menschen hervorbringen kann. Deswegen, wenn wir von dem Primat des Glaubens sprechen, dann können wir an diese innerste und unaussprechliche Bedeutung der wirklichen Existenz Gottes und der übernatürlichen Welt denken, die alles andere an Wichtigkeit übersteigt.

2.  Wenn wir uns nun von der Wahrheit als dem Objekt des Glaubens (fides quae creditur) dem Akt des Glaubens zuwenden (fides qua creditur), dann müssen wir feststellen, daß sein grundlegendster Wert nicht in seiner Wirkung oder Heilsbedeutung für den Gläubigen liegt, sondern darin, daß er Gott verherrlicht.

Das tritt wunderbar ans Licht in dem Bericht des Johannesevangeliums von dem Mann, der von Geburt an blind war und der wegen seines Bekenntnisses, daß Christus kein Sünder sein könne, aus der Synagoge ausgestoßen wurde: "Jesus hörte, daß sie ihn ausgestoßen hatten, und als er ihm begegnete, sprach er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Jener antwortete und sprach: Wer ist es Herr, damit ich an ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen. Der mit dir redet, ist es. Und jener sagte: Ich glaube Herr, und er fiel nieder und betete ihn an!" (Joh 9,35-38).

Wir sprechen hier nicht von der inneren Bedeutung des Gegenstands des Glaubens, sondern von dem Wert, den der Akt der Liebe und Anbetung beseelten Glaubens besitzt (die fides caritate formata). Dieser Glaube besteht zunächst wesentlich darin, daß wir die Existenz Gottes und die Göttlichkeit Christi für wahr halten (credere Deum).

Und schließlich kann der Glaube, der diese Selbsthingabe einschließt, nicht bestehen ohne die Bereitwilligkeit, alles anzunehmen und für wahr zu halten, was Gott uns als wahr offenbart (credere Deo). Ein Glaube, der diese drei Dimensionen umfaßt, besitzt den höchsten Wert, vor allem, weil er Gott geschuldet ist, weil er Gott verherrlicht.

Die Tat des Blindgeborenen wird uns in diesem Sinn vorgestellt als etwas Kostbares, nicht zunächst, weil er für ihn das Tor zum Heile ist, sondern weil er jene einzigartige Verherrlichung darstellt, die der Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit Christi, seiner Gottheit und Göttlichkeit gebührt.

Jener anthropozentrischen Betrachtungsweise, die sich hauptsächlich um des Heil des Menschen dreht - wir finden sie bereits in den frühen Schriften Rahners und können sie bis auf Luther zurückführen* -, wohnt die Tendenz inne, diese  erste und grundlegende Rolle des Glaubens, die Verherrlichung Gottes, gänzlich zu übersehen.
* vgl. Paul Hacker, The Ego in Faith: Martin Luther and the Origin of Anthropocentric Religion. Franciscan Heralds Press, Chicago 1970; deutsche Originalfassung: "Das Ich im Glauben bei Martin Luther", Graz-Wien-Köln 1966

Fortsetzung folgt


Prof. Josef Seifert:
Die Grundlage jeder Erneuerung: Der Glaube
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