Fortsetzung Teil 5
Dieser neue "hermeneutische Zugang" hat in vielen Formen Schillebeeckx und andere katholische Theologen beeinflußt und durch sie den Katholizismus in der Breite, wenn auch viele verbal den historischen Relativismus zurückweisen.
Nicht nur haben Theologen, z. B. der Holländer Van der Pol in seinem Buch "Konventionelles Christentum" oder Karl Rahner in einigen seiner neueren Schriften, diese Sicht verteidigt; sie hat sich auch in viele Katechismen und andere katholische Bücher mit hoher Auflage eingeschlichen und weite Verbreitung gefunden.
Eine derartige "Erneuerung" des Glaubens wird nicht nur in den gelehrten Artikeln vertreten, sondern auch durch die banale und vulgäre Sprache gefördert, wie sie heutigentags oft bei der Darstellung der biblischen Geschichte verwandt wird. Das ist z. B. der Fall in einem deutschen Katechismus, der vor einiger Zeit in "Theologisches" besprochen wurde; da wird der Bericht von der Empfängnis Christi so "neuinterpretiert": "Josef und Maria kamen öfter zusammen. Nach kurzer Zeit stellte es sich heraus, daß Maria schwanger war."
Wir sehen deutlich, daß in dieser Anpassung der Offenbarung an die moderne Mentalität der zeitlose und unveränderte Charakter der Wahrheit vernachlässigt und nicht selten geleugnet wird. Die Wahrheit eines Satzes wird verwechselt mit der geschichtlichen "Lebendigkeit" einer Idee im Geist mancher Menschen: die notwendige Unterscheidung zwischen der Wahrheit einer Idee und ihrer Wirksamkeit in der Geschichte unterbleibt.
Die Wahrheit der Jungfräulichkeit Mariens z. B. hängt offensichtlich nicht ab von der Frage, wieweit die Idee ihrer Jungfräulichkeit im 20.Jahrhundert "in der Luft liegt", oder ob sie vom Durchschnitt der heutigen Katholiken geglaubt wird, sondern einzig davon, ob das Dogma der Wirklichkeit entspricht, mit anderen Worten, ob Maria tatsächlich durch die Kraft des Hl. Geistes empfangen hat. Die Tatsache, daß die gegenteilige Überzeugung der heutigen "Bewußtseinslage" eher entspricht, hat nicht das geringste mit der Wahrheitsfrage zu tun.
Wenn man also die Frage, ob ein Dogma mit der Wirklichkeit übereinstimmt, durch die andere ersetzt, ob sie mit den Überzeugungen des modernen Menschen im Einklang steht, so führt das nicht zu einer Erneuerung des Glaubens, sondern zum Verrat am Glauben, zum Abfall vom Glauben.
Aber gerade dieser unglückseligen Ersetzung des Evangeliums Christi, das gerade kein Produkt menschlicher Erfindung ist, durch ein "neues Evangelium", das den Ansichten des "modernen Menschen " angepaßt wird, begegnen wir heute oft unter dem Namen und Vorwand der "Erneuerung". Der hl. Paulus sagt uns ganz klar, daß Gottes Zorn diese Art "Erneuerung" treffen wird.
Fortsetzung
Prof. Josef Seifert:
Die Grundlage jeder Erneuerung: Der Glaube
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