Prof. DDr. Josef Seifert (1976)
Fortsetzung, Teil 2
Der zeitgenössische Hintergrund
Unsere Überlegungen über den Glauben und die Erneuerung müssen wir auf dem Hintergrund der heutigen Situation anstellen. Die wahre Erneuerung wird nicht selten als Stagnation und Traditionalismus hingestellt, während zugleich ein Massenaufgebot an Formen der "Erneuerung" besteht, die sich nicht nur unterscheiden von jener, die die Kirche von uns erwartet, sondern ihr radikal entgegengesetzt sind: denn statt den Gläubigen zu einem tieferen Verständnis der Offenbarung zu führen, werden ihre Inhalte verfälscht, mit Schweigen übergangen oder gar ausdrücklich geleugnet.
Die Gottheit Christi, Seine wirkliche Gegenwart in der hl. Eucharistie, der Opfercharakter der hl. Messe, die Jungfräulichkeit Mariens, die Existenz des Teufels und der Hölle, ja sogar die Existenz des ewigen Gottes - all diese Wahrheiten gehören zu den Zentralwahrheiten der Offenbarung, und jeder weiß, wie häufig sie offen geleugnet werden und wie wenig darüber in den neuen Katechismen gesagt wird.
Dasselbe ist zu sagen über die Realität der Sünde, über die Pflicht, den Geboten Gottes zu folgen, über die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe für das ewige Heil, über das jüngste Gericht, über das Fegefeuer, über die Wunder, über die Gnade.
Es gibt kein Grundelement des Glaubens mehr, das heute nicht auf vielfache Weise geleugnet oder öffentlich von Mitgliedern der Kirche verfälscht würde.
Die Situation ist in der Tat so, daß sie für uns eine schwere Versuchung gegen den Glauben an die Übernatürlichkeit der Kirche bedeutet, solange wir sie nicht in dem durchdringenden Licht des Glaubens betrachten. Im Lichte des Glaubens aber erkennen wir, daß alles uns von Christus und den Aposteln vorausgesagt ist.
Dieses tiefere Verständnis ruft uns auch in Erinnerung, wie oft in der Vergangenheit, in Zeiten schwerer Krisen und Häresien, die Kirche die übernatürliche Kraft erhielt, sich selbst herrlich zu erneuern, durch neue Heilige und durch die Treue zur rechten Lehre.
Wir stellen dann auch mit Verwunderung fest, daß in solchen Zeiten der Verwirrung und Glaubensschwäche auf Seiten des Volkes und des Klerus, ja einiger Päpste, die Kirche niemals ein Dogma widerrufen hat. Vor allem und letzten Endes werden wir getröstet durch den Herrn selbst, der gesagt hat: "Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen" (Mt 16,18).
Es ist von äußerster Wichtigkeit, daß wir uns diese übernatürliche Einstellung zur gegenwärtigen Situation zu eigen machen; jede andere wird sich als verfehlt herausstellen.
Ich wende mich hier nicht an diejenigen, die die Offenbarungswahrheiten leugnen oder verdunkeln; auch nicht an jene, die von der Woge der Verweltlichung erfaßt sind, ohne sich darüber voll Rechenschaft zu geben.
Ich denke vielmehr an diejenigen, die persönlich an Christus und an die Kirche glauben, ohne jedoch die erwähnte echt übernatürliche Haltung zu besitzen. Entweder verschließen sie ihre Augen vor dem Ernst der Lage und erklären eine der stärksten Strömungen der Verweltlichung und der Häresie - wenn nicht die stärkste überhaupt in der Geschichte der Kirche - als unbedeutende Störung innerhalb einer im ganzen gesunden Entwicklung. Das ist eine unrealistische Sicht; diese Leute sehen die große Gefahr, die den Glauben bedroht, einfach nicht und bekämpfen sie nicht.
Ich denke an andere, die feststellen, wie weit der Abfall vom Glauben unter dem Vorwand der Glaubenserneuerung verbreitet ist, und die dann bitter werden und niedergeschlagen und schließlich verzweifeln. Wieder andere verfallen der Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit infolge einer falschen Beurteilung der kirchlichen Autoritäten; oder dem offenen Ungehorsam gegenüber den Bischöfen; schließlich sogar dem Irrtum, daß der Papst nicht der wirkliche Papst sei, daß wegen der liturgischen Veränderungen Christus nicht länger mit der Kirche sei und daß die wahre Kirche in unseren Tagen nur in kleinen Traditionalistengruppen oder Sekten ohne den Papst fortbestehe.
In dieser Zeit der Verwirrung ist kaum eine Gabe nötiger als die Unterscheidung der Geister, die Gabe der Erkenntnis, was wahr ist und was falsch, was gut ist und was böse, was von Gott kommt und was vom Teufel. Es ist heute eine Frage auf Leben und Tod, Zeichen, Kriterien zu besitzen, um die wahre, von Christus geforderte Erneuerung von den vielen Versuchen einer Pseudo-Reform zu unterscheiden, die in Wirklichkeit Abfall vom Glauben sind.
Fortsetzung folgt hier
Prof. Josef Seifert:
Die Grundlage jeder Erneuerung: Der Glaube
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Über den Philosophen Josef Seifert (geb. 1945) bei wikipedia (bitte HIER klicken!)
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