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Samstag, 24. März 2012

Äußere Formen

Von  P. Bernward Deneke FSSP

Kopfschüttelnd nehmen Beobachter zur Kenntnis, mit welcher Leidenschaft sich Katholiken über äußere Dinge streiten können. Ein Großteil der Auseinandersetzungen betrifft den Gottesdienst: Hoch- oder Volksaltar? Hand- oder Mundkommunion? Knien oder Stehen? Lateinische oder deutsche Liturgiesprache? Nur männliche oder auch weibliche Ministranten? – Die Reihe ließe sich mühelos verlängern und auf andere Gebiete (z.B. die Kleidung) ausweiten.

Da erheben sich einige Fragen: Kommt es denn für Christen wirklich auf Äußerlichkeiten an? Geht es nicht vielmehr um die innere Einstellung, um Glaube, Hoffnung und Liebe? Was würde wohl Jesus dazu sagen, Er, der die ungewaschenen Hände Seiner Jünger gegen pharisäische Kritik in Schutz nahm (Mk 7,1ff.)? Und erst der heilige Paulus, der die engen jüdischen Gesetzesregeln hinter sich ließ, mutig gegen jede Fesselung der neuerrungenen Freiheit kämpfte (z.B. Gal 5) und nicht einmal mit dem Verzehr von Götzenopferfleisch grundsätzliche Schwierigkeiten hatte (vgl. 1 Kor 8)? Bedeutet also der Streit über äußere Formen nicht Rückfall in ein Stadium, das Jesus und die Urkirche längst überwunden haben?

Allerdings kann man den Vorwürfen, die in diesen Fragen liegen, auch einiges entgegenhalten. So ist es eindeutig falsch, Jesus zum Gegner hergebrachter Formen zu erklären. Denken wir nur an seine Worte über Jota und Strichlein des Gesetzes (Mt 5,18) oder an die Tatsache, daß Er Sein eucharistisches Opfer in die vorgegebene Form des Paschamahls einfügte. Ebenso unpassend ist die Erhebung des Völkerapostels zum Patron der Formlosigkeit. Berufen sich nicht gerade auf Paulus auch diejenigen, die eine strenge kirchliche Kleiderordnung und namentlich das Kopftuch für Gottesdienstbesucherinnen verlangen (vgl. 1 Kor 11,5ff.)?

Im Zusammenhang mit äußeren Formen müssen wir uns daran erinnern, dass wir nun einmal keine Engel, sondern Menschen, seelisch-leibliche Wesen sind. Auch der Glaube, den wir bekennen, hat es nicht mit rein geistigen Inhalten, mit abstrakten Lehrsätzen zu tun. Vielmehr kündet er von dem Wort, das Fleisch geworden ist (Joh 1,14); von dem, „was wir [die Apostel] mit eigenen Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände betastet haben“ (1 Joh 1,1). Der Sohn Gottes hat das Leib- und Sinnenhafte in seiner Menschwerdung angenommen und geheiligt. Folglich soll auch im Leben der Kirche wie des einzelnen Christen das Geistige verleiblicht und das Leibliche vergeistigt werden. Ohne diese Verbindung bleibt die äußere Form toter Buchstabe. Der Geist des Glaubens und der Liebe aber vermag sie zum Leben zu erwecken (vgl. 2 Kor 3,6).

Das wird anschaulich in der Liturgie. Hier bietet sich uns das Heilshandeln Gottes in sinnenhafter Gestalt dar, und auch unsere Antwort darauf drückt sich leiblich aus: Kreuzzeichen, Händefalten, Verneigung, Kniebeugen – alle diese Zeichen stellen die gläubige Ehrfurcht vor Gott sichtbar dar. Zugleich stützen und schützen sie unsere religiöse Haltung, indem sie die Seele gleichsam gegen Ehrfurchtslosigkeit imprägnieren und ihr den Geist des Gebetes einschreiben. Von hohler und nutzloser Äußerlichkeit zu sprechen, wo es um derart sinnerfüllte, aussagekräftige und zudem erzieherisch wirksame Formen geht, zeugt von erheblichen Mißverständnissen.

Streitthemen wie die eingangs erwähnten erfordern, dass jeweils der Zusammenhang der Formen, die zur Frage stehen, mit ihrem Inhalt bedacht werde. So ist etwa beim Kommunionritus zu überlegen, welche der leiblichen Haltungen die gläubige Ehrfurcht vor dem Leib Christi denn klarer zum Ausdruck bringt, sie tiefer in uns verwurzelt und dadurch auch stärker wachsen läßt. Wer darüber nachsinnt, erkennt alsbald, ob es sich tatsächlich nur um Äußerlichkeiten handelt oder ob mit den äußeren Formen nicht doch sehr viel mehr auf dem Spiel steht.

Diese Zeilen möchten nicht unerquicklichen Streitereien unter Christen das Wort reden. Wenn aber durchaus gestritten werden muss, wenn man also meint, als Glaubenszeuge für eine bestimmte äußere Form kämpferisch eintreten zu sollen, dann hat man natürlich gerade hier mit gutem Beispiel voranzugehen und in der Auseinandersetzung selbst die rechte, von christlichem Geist erfüllte Form zu wahren!




Hinweise:
- mit freundlicher Genehmigung des Verfassers
- der Beitrag erschien bereits im Schweizerischen Katholischen Sonntagsblatt (SKS)

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