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Montag, 30. Januar 2012

Die Zelebration "versus populum"

Die Forderung, daß der Priester am Altar dem Volk das Gesicht zukehren solle, hat erstmals Martin Luther aufgestellt (1). Diese Forderung ist jedoch von ihm soviel man weiß, nie und in den verschiedenen protestantischen Kirchen nur vereinzelt befolgt worden, vor allem bei den Reformierten (2).

Erst die jüngste Zeit hat die Zelebration "versus populum" zu einem fast allgemeinen Brauch in der römischen Kirche werden lassen, während die Ostkirchen und vielfach auch die evangelischen Gemeinden an der bisherigen Praxis festhalten.

In der Ostkirche war eine Zelebration "versus populum" zu keiner Zeit üblich, wie auch ein entsprechender Ausdruck dafür fehlt. Die meiste Ehrfurcht wird der Vorderseite des Altars erwiesen. Hier darf nur der Priester (und neben ihm der Diakon) stehen. Innerhalb der Bilderwand darf nur der Zelebrant an der Vorderseite des Altares vorbeigehen.

Bemerkenswert ist ferner, daß bei einer Konzelebration, die bekanntlich in der Ostkirche eine lange Tradition hat, der Hauptzelebrant, wie auch sonst, mit dem Rücken zur Gemeinde steht, während die konzelebrierenden Priester sich links und rechts von ihm am Altar aufstellen. Niemals haben sie jedoch ihren Platz an der Rückseite (Ostseite) des Altars.

Der Brauch zum Volk hin zu zelebrieren, kam bei uns in den zwanziger Jahren in der Jugendbewegung auf, als man daran ging, innerhalb einer kleinen Gruppe die Eucharistie zu feiern. Die liturgische Bewegung, vorweg Pius Parsch, propagierte ebenfalls diesen Brauch.

Man glaubte damit eine frühchristliche Tradition wieder zu erneuern, weil man sah, daß in einigen alten römischen Basiliken ebenfalls der Altar "versus populum" ausgerichtet ist. Doch hat man dabei, wie es scheint, übersehen, daß in diesen Basiliken, im Gegensatz zu den übrigen Kirchen, (3) nicht die Apsis, sondern der Eingang im Osten liegt.


(1)  Er schreibt in seinem Büchlein "Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdienstes" v.J. 1526 zu Beginn des Kapitels "Des Sonntags für die Laien": "Da lassen wir die Meßgewänder, Altar, Lichter noch bleiben, bis sie alle werden oder uns gefällt zu ändern. Wer aber hier anders verfahren will, lassen wir geschehen. Aber in der rechten Messe unter eitel Christen müßte der Altar nicht so bleiben und der Priester sich immer zum Volk kehren, wie ohne Zweifel Christus beim Abendmahl getan hat. Nun, das erharre seiner Zeit"; vgl. K. Gamber, Die Zelebration "versus populum" eine Erfindung und Forderung Martin Luthers, in: K. Gamber, Ritus modernus. Gesammelte Aufsätze zur Liturgiereform (Regensburg 1972) 21-29.

(2)  Vgl. Fr. Schulz, Das Mahl der Brüder, in: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 15 (1970) 34 Anm.8. So ließ seinerzeit Martin Bucer in Straßburg Abendmahlstische aufstellen, "daß der Diener das angesicht gegen das Volck wendet".

(3)  Außerhalb Roms sind nur wenige Kirchen bekannt, die den Eingang im Osten haben. Am bekanntesten ist die Basilika in Tyrus, die von Eusebius beschrieben wird. Wie bei dieser, so handelt es sich auch bei den andern um Bauten Konstantins bzw. dessen Mutter Helena; vgl. G. Kunze, Lehre Gottesdienst Kirchenbau in ihren gegenseitigen Beziehungen I (Göttingen 1949) 51ff., vor allem 53.

(Hervorhebungen durch Administrator)

aus:  Msgr. Dr. theol. Dr. phil h.c. Klaus Gamber: Die Reform der Römischen Liturgie, Vorgeschichte und Problematik, S.46f (s. Quellen)

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