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Mittwoch, 25. Januar 2012

Der kämpfende Mensch (7)

Josef Seifert  (1975)

Fortsetzung, Teil 7

Es ist bedenkenswert, daß gerade in unserer Zeit eine Heilige zur Kirchenlehrerin erhoben wurde - Katharina von Siena -, die immer wieder darauf hingewiesen hat, daß das Stillschweigen und die Feigheit angesichts der in der Kirche und Gesellschaft grassierenden Irrtümer und Übel die größte Grausamkeit ist.

Plato hat seiner Zeit und Gesellschaft eine Diagnose gestellt, die wir weitgehend auf die unsere übertragen können. Wenn man kranken Kindern, so schreibt er, einmal einen Arzt schickt, der sie schneidet und brennt und so vom Geschwür befreit, und einmal einen Koch, der sie mit Süßigkeiten verwöhnt und so ihre Krankheit nur verschlimmert, so werden sie, wenn man sie gewähren läßt, den Koch mit Triumpfgeschrei empfangen, den Arzt aber aus der Stadt treiben.

Nicht anders machen es, sagt Plato, erwachsene Bürger: Den Philosophen, der die Ungerechtigkeiten aufdeckt, werden sie hinaustreiben und vielleicht sogar außerhalb der Stadt ans Kreuz schlagen, den Sophisten aber, der sie in schönen Illusionen wiegt, werden sie mit lautem Jubel begrüßen.

Wenn wir uns solcherart klarmachen, "was am Menschen ist", so werden wir immun sein gegen diesen falschen Vorwurf der Lieblosigkeit. Gewiß müssen wir uns beim Kampf gegen Übel und Irrtümer vor Lieblosigkeit in der Art und Weise des Vorgehens hüten, aber wir können uns deswegen nicht vom Kampf selbst dispensieren.

Wir müssen ihn angehen und führen aus der Liebe zu Gott, aus der Liebe zum Herzen Jesu, in dem sich Gottes Liebe zu jedem von uns so überwältigend geoffenbart hat; unser Kampf muß - in der Teilhabe an diese Liebe - sich von Bitterkeit und Feindseligkeit fernhalten, er muß ein lichtvoller Kampf sein, der von Güte beherrscht und von Sanftmut durchdrungen ist.

Das ist gewiß nicht leicht, aber besser ist es, überhaupt zu kämpfen als den Kampf zu unterlassen, weil wir ihn doch nicht völlig fehlerlos führen können.

Ein falscher Friede

Ebenso wie das Wort Liebe scheint auch das Wort Friede gegen Kampf und Kampfgeist zu sprechen. Ein Urwort des Evangeliums ist der Friede, und schon im Alten Testament wird im Messias der große Friedensbringer erwartet, der dann selber sagt: " Meinen Frieden hinterlasse ich euch...". So ist in der Tat die Friedensliebe für jeden Christen unerläßlich, und "selig sind die Friedfertigen".

Aber auch hier muss man näher zusehen, worin der Friede Christi ("nicht, wie die Welt ihn gibt") wirklich besteht, um nicht der Täuschung zu verfallen und einen unverträglichen Gegensatz zwischen Kampfgeist und Friedensliebe aufzustellen.

Wirklicher Friede im Menschen und zwischen den Menschen ist nur möglich als Ausstrahlung des Friedens Gottes. Der Friede ist unmöglich im Bösen, unmöglich in der Unwahrheit, in der Lüge. Der Friede ist die "Ruhe in der Ordnung", wie Augustinus sagt.

Die berühmte Stelle in seinen "Bekenntnissen" (X,27), wo er davon spricht, daß Gott geleuchtet, und endlich seine Blindheit verscheucht, daß Gott gerufen, und endlich seine Taubheit durchdrungen habe, schließt mit den Worten: " Et exarsi in pacem" - "Und ich bin entbrannte in Sehnsucht nach deinem Frieden".

Aber dieser Friede entspringt der wahren Ordnung, der Ordnung, in der der Mensch Gott anerkennt und über alles liebt, der Ordnung, in der er alle Güter in ihrer Rangstufung sieht. Letztendlich ist der Friede die Ausstrahlung der Harmonie, des inneren Lichtes, der inneren Schönheit, die im Guten liegt; dazu gehört als letztes Element auch die Geborgenheit in Gott, in dem lebendigen, liebenden Gott, der uns erlöst hat; denn selbst die Schau einer platonischen Ideenwelt des Guten würde allein nie den Frieden bringen; ja, auch die Erkenntnis Gottes könnte uns keinen letzten Frieden schenken, wären wir nicht durch die Erlösung der heiligmachenden Gnade Gottes und der Gemeinschaft mit ihm teilhaftig geworden.

Es gibt aber auch einen falschen, nur scheinbaren Frieden: die Eintracht mit dem Bösen, und im Bösen, dem u. U. ein friedliches Nichtstun entspringt. "Mag etwas falsch sein, mag etwas schlecht sein - nur den Frieden halten!" Dieser Friede ist der radikale Gegensatz zum wahren Frieden.

Hier gilt das Wort des Herrn: "Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert." Hier ist das Wort des hl. Johannes, des "Liebesjüngers", der Häretikern gegenüber sogar den Gruß verbietet - dann, wenn er als Ausdruck der Übereinstimmung gewertet werden kann (2Joh 10).

Die radikale Ablehnung eines solchen Friedens mit den Bösen wird verständlich, wenn wir bedenken, daß das Böse der radikale Widerspruch zum wirklichen Frieden ist, da es keinerlei Harmonie, sondern die tiefste Disharmonie ist, die sich überhaupt im Kosmos findet, der Widerspruch gegen Gott selbst.

Wer Frieden hält mit den Bösen bzw. ihrem bösen Verhalten zustimmt, der vermehrt nur den Unfrieden in der Welt. Der Kampf gegen das Böse und gegen den Irrtum ist darum notwendige Konsequenz aus der wahren Friedensliebe. Der Kampf gegen den Unfrieden ist Kampf für den Frieden.

Wir dürfen natürlich nicht den Kampf in sich, abgesehen von seinem Anlaß und seiner Zielrichtung, als einen Wert ansehen.

Es kann vorkommen, daß eine Art militärisch-männliches Ideal von Kampfgeist und Heldenmut den Menschen so einnimmt, daß ihm der Kampf an sich Spaß macht und er die brennende Sehnsucht nach dem Frieden verliert, die allein zum Kampf berechtigt.

Der Kampf des Christen ist nur echt, wenn er getragen ist von der Sehnsucht nach dem ewigen Leben, wo alle Gründe für den Kampf entfallen und jede Disharmonie aufgehoben ist im Frieden Gottes.


Schluß folgt


Prof. Josef Seifert: Der kämpfende Mensch ( Teil 1)    (bitte HIER klicken!)
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Über den Philosophen Josef Seifert (geb. 1945) bei wikipedia (bitte HIER klicken!)


 (Hervorhebungen durch Administrator) 

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