Fortsetzung, Teil 2
Leugnung des Gegensatzes zwischen Gut und Böse
Wie auf dem Gebiet der Erkenntnis, so ist heute auch auf dem Gebiet der Sittlichkeit eine völlige Aufweichung festzustellen. Auch hier werden klare Gegensätze und die Pflicht zum Kampf nicht mehr anerkannt.
Ein Redakteur, der am "Rheinischen Merkur" arbeitete, sagte mir gelegentlich, über gewisse Themen, etwa über den Kampf gegen die Versuchung, könne er kaum noch sprechen oder schreiben; so etwas werde als völlig altmodisch belächelt.
Man entwirft Theorien, die Gut und Böse nicht mehr als Urgegensätze betrachten, man glaubt, sie in eine höhere Einheit, in eine "neuen Ethik" integrieren zu können. Der Mensch muß sich selbst mit seinem "Positiven" und "Negativen" (seinem eigenen "Schatten" in der Jungschen Sprache) in ein den Dualismus zwischen Gut und Böse überwindendes einheitliches Menschenbild "integrieren".
Wohl spricht man noch vom "sogenannten Bösen", das von Konrad Lorenz auf den Agressionstrieb reduziert wird; diesen Trieb, der in jedem Menschen wirkt, nimmt man als etwas Naturgegebenes und Selbstverständliches hin, ohne daß man beim Begriff der Agression überhaupt einen Unterschied macht zwischen berechtigtem und notwendigem Kampfgeist und böser Agressivität.
Aber das Resultat (das man in anderer Weise auch bei Heidegger findet, in seinem Begriff der "Eigentlichkeit") ist dies, daß Gut und Böse keine letzten, keine Ur-Gegensätze sind, die den Menschen zum Kampfe verpflichten: dem Bösen abzusagen und allem Guten tapfer anzuhangen; daß er vielmehr einfach positive und negative Züge in sich vorfindet, die herausgelassen werden müssen.
Sie brauchen nur an das "sensitivity training" oder an "gruppendynamische " Schulungen zu denken, bei denen man alle Erlebnisse, seien sie gut oder schlecht, wie selbstverständliche, wertneutrale Fakten auspackt und sich ausleben läßt.
Man behauptet, jeder Kampf in uns zwischen Gut und Böse führe ja nur zu Verdrängungen, zu Neurosen, zu guter Letzt sogar zu Psychosen, zu negativen Erscheinungen also, die bis jetzt die Entwicklung des abendländischen Menschen beherrscht hätten.
Kein Gegensatz zwischen wahrem Glauben und Irrlehre?
Vor allem aber wird der Kampf auch, und das ist in unserem Rahmen das zentralste Thema, auf dem Gebiet der Religion entwertet und verdrängt. Man hat keinen Sinn mehr für das, wofür so viele Märtyrer in den christlichen Jahrhunderten gestorben sind: für den letzten Ernst des Gegensatzes zwischen Glauben und Irrglauben; man meint, ein Dogma sei ebenso relativ wie jede andere Meinung, also vielleicht überhaupt nicht wahr; ja, Hans Küng geht soweit zu sagen, ein Dogma grenze mehr als jede andere menschliche Aussage an den Irrtum, weil es sich polemisch gegen eine andere These stellt.
So entsteht also die Vorstellung, daß alle Dogmen, alle Anathemata und die darin erscheinende Ablehnung von religiösen Irrtümern nur Ausdruck eines lieblosen Verketzerns seien, das die verschiedenen Seiten der Wahrheit isoliert und Unfrieden stiftet.
Vor allem aber will man nichts mehr hören von einem letzten, metaphysischen Gegensatz und Kampf zwischen Gott und Satan. Eine personale Macht des Bösen, der Teufel existiert nicht.
Sie haben sicher alle von dem Buch des "katholischen" Theologen Haag, "Abschied vom Teufel" gehört: nach ihm ist der Teufel nur eine "Personifizierung", aber keine Person - was übrigens schon der Holländische Katechismus behauptet hat - ; nach der Leugnung von Hölle und Teufel wird als Gegenspieler des Teufels auch Gott als ewiger, der Geschichte transzendenter Gott geleugnet; so nimmt Friedrich Heer schon von "Himmeln und Höllen" Abschied; erst recht werden der Erzengel Michael oder überhaupt die heiligen Engel im heutigen religiösen Denken weitgehend übergangen oder ausdrücklich abgeleugnet.
Aber selbst Menschen, die an keinem Dogma zweifeln, verschließen vielfach die Augen vor der Notwendigkeit des Kampfes gegen den Irrtum, die ja logisch nur aus dem Glauben an Dogmen folgt.
Nicht selten begegnet man auf geistigem Gebiet eier Vogel-Strauß-Politik, wie man sie sich auf politischem Gebiet nur schwer vorstellen kann: man gleicht einem Generalstab, der vom Eindringen des Feindes, etwa durch einen Spionagedienst oder durch Luftlandetruppen im Hinterland, einfach keine Notiz nimmt; unvorstellbar, daß ein General die Bombardierung einer Stadt als Zufall, als ein im Dialog zu klärendes Mißverständnis ansähe.
Aber in der Kirche gibt es heute solche Dinge: die furchtbarsten Einbrüche eines zum letzten entschlossenen "bösen Feindes" will man einfach nicht mehr sehen. So erfolgreich hat sich der seit der Aufklärung datierende Trend durchgesetzt.
Dazu gehört etwa, daß ein führender Reformer, der für die neue Liturgie weitgehend mitverantwortlich ist, erklären konnte, der ganze Unfug der exorzistischen Riten müsse völlig aus der Liturgie verschwinden.
Um sich klarzumachen, wie weit diese Vernebelung der Fronten, diese Vertuschung des Kampfes zwischen Himmel und Hölle gediehen ist, braucht man nur daran zu erinnern, daß dieses Thema heut in Katechese und Verkündigung geradezu tabu ist.
Fortsetzung folgt
Prof. Josef Seifert: Der kämpfende Mensch ( Teil 1) (bitte HIER klicken!)
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Über den Philosophen Josef Seifert (geb. 1945) bei wikipedia (bitte HIER klicken!)
(Hervorhebungen durch Administrator)
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