Samstag, 26. November 2011

In aller Stille: Ein gesegnetes neues Kirchenjahr!

Ein neues Jahr

Gastbeitrag von P.Bernward Deneke FSSP

Das Ereignis findet am 26. November 2011 im späten Nachmittag statt. Genauer: mit dem Beginn der ersten Vesper des 1. Adventssonntages. Es geschieht in Verborgenheit und Stille, unbeachtet von den allermeisten. Ohne Leuchtraketen, Böllerschüsse, Feuerwerksmusik, Sektumtrunk, Bleigiessen und Ansprache der Volksrepräsentanten. Was sich da ereignet? Ein neues Kirchenjahr beginnt! Dass sich die vielen Glaubensfremden und -fernen darum nicht scheren, ist kaum verwunderlich. Bedauerlich aber, dass es auch für einen grossen Teil der Katholiken wenig bis keine Bedeutung hat.

Schon seit geraumer Zeit erlebte das Kirchenvolk das liturgische Jahr fast ausschliesslich in den Sonn- und Festtagsgottesdiensten und in manchen seiner Bräuche. Das Stundengebet, das jedem Tag sein spezifisches Antlitz verleiht, ist ihm dabei weithin unbekannt geblieben. Aber immerhin: Die wechselnden thematischen Akzente in Lesungen und Verkündigung der Messe, das Auf-und-ab von Feierlichkeit und Bussernst, die vertrauten Gesänge zu Festen und geprägten Zeiten, die Farbensprache der priesterlichen Gewänder, dazu Bittgänge und Prozessionen, besondere Segnungen und Andachten – alles das liess die Katholiken sehr wohl am Kirchenjahr teilhaben.

Dass sich in dieser Hinsicht vieles geändert hat, braucht hier nicht ausführlich dargelegt zu werden. Was Menschen der älteren Jahrgänge noch gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen war, besitzt unter den Jüngeren längst Seltenheitswert. In deren Umfeld – Familie, Schule, Arbeitswelt – finden eben ganz andere als die kirchlichen Feste Beachtung. Bei vielen katholischen Kindern, Jugendlichen, auch Erwachsenen fehlen daher selbst rudimentäre Kenntnisse: Was feiern wir an Epiphanie, was an Pfingsten? Welche Zeit des Kirchenjahres nennt man die österliche? Was ist eine Vigil? Auf solche Fragen darf keine korrekte Antwort erwarten, wer sich nicht der Gefahr herber Enttäuschung aussetzen will. Ganz zu schweigen von weitergehendem Wissen um Abfolge und Zusammenhang der einzelnen Abschnitte des liturgischen Jahres... ---

Nun also beginnt ein neues Kirchenjahr. Die Kirche läutet es in der besagten ersten Vesper des 1. Adventssonntages mit dem ganz alltäglichen Ruf „Deus, in adiutorium meum intende: Gott, komm mir zu Hilfe” ein, und als Antwort darauf erklingt das übliche „Domine, ad adiuvandum me festina: Herr, eile mir zu helfen“. Während das weltliche Jahr mit menschlichen Hoffnungen, Prognosen, Planungen und Befürchtungen einsetzt, steht am Anfang des liturgischen Jahres also die demütig-flehentliche Bitte um den Beistand des Allerhöchsten. Denn an Gottes Segen ist alles gelegen, ohne ihn alles dem sicheren Untergang geweiht.

Was dann folgt, ist im Grunde nichts Neues, sondern das Altvertraute. Es ist, wie Romano Guardini schreibt, „die Ordnung der im Lauf des Kirchenjahres immer wiederkehrenden Formen und der auf die Grundvorgänge des erlösten Menschendaseins bezogenen heiligen Handlungen. Sie enthalten Christus und sein Leben. In ihnen vollzieht sich das Gedächtnis, nein, die Wiedererstehung des einst geschichtlich gewesenen und nun in der Ewigkeit wirklichen Herrendaseins.

Gewiss könnte leicht der Eindruck entstehen, das gottesdienstliche Leben der Kirche drehe sich, während es das Gedächtnis der Erlösungsgeheimnisse Jahr für Jahr begehe, wie ein ins Leere laufendes Rad um sich selbst. Das liturgische Jahr scheint ja mit seiner ständigen Wiederkehr eher einem Kreislauf als einem zielgerichteten Weg zu gleichen. Die grossen Lebensfeste Jesu Christi (Weihnachten, Epiphanie, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten), dazu die Feste der Glaubensgeheimnisse (wie Dreifaltigkeit, Fronleichnam, Herz Jesu, Kostbares Blut, Christkönig) und die zahlreichen Heiligenfeste (von denen der Gottesmutter bis zu jenem aller Heiligen) begegnen uns in wundersamer Verschränkung mit der Abfolge der Sonntage immer und immer wieder.

Aber ist es nicht unsere eigene Schuld, wenn wir das Kirchenjahr wie ein elend ermüdendes Karussell auffassen, anstatt es als neue Windung auf dem Weg zur Vollendung zu erkennen? Denn mit jedem neuen Jahresring, der ihrem Stamm eingeschrieben wird, wächst die Pflanzung Jesu Christi, der Baum der heiligen Kirche, dem ewigen Ziel entgegen. Und mit, in der Kirche auch wir.

So wird dem gläubigen Katholiken das liturgische Jahr zu einer Spirale. Diese dreht sich zwar über dem immer selben Grundriss (da uns kein anderer Grund, kein anderes Fundament gegeben ist als das von Gott in Christus gelegte!); doch schraubt und schwingt sie sich dabei in kreisender Bewegung stetig hinauf in neue Höhen, zu neuen, grossartigen Ausblicken. Das Kirchenjahr gleicht einer wiederholten Begegnung mit geliebten Freunden, die nicht zur Verflachung, sondern zur Vertiefung der Verbundenheit gereicht.

Hand auf’s Herz: Sehen wir das Kirchenjahr schon in dieser Optik? Sonst sollte uns der bevorstehende 1.Advent Anlass sein, unser Leben endlich dem geheiligten Rhythmus der Glaubensgeheimnisse einzugliedern. Die einleitende Bitte „Deus, in adiutorium meum intende, Domine, ad adiuvandum me festina“ wäre ein guter Anbeginn. In diesem liegt bereits der Keim der Vollendung.

P. Bernward Deneke FSSP, Wigratzbad


 Foto: David Monniaux; Treppenhaus Stift Melk

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