Der Bischof von Augsburg, Dr. Konrad Zdarsa, hat in seiner Diözese zum Christ-Königs-Sonntag am vergangenen 20. November ein bemerkenswertes Hirtenwort verlesen lassen. Neben rückblickenden Beobachtungen beim WJT 2011 in Madrid sind auch die Mittel zur modernen Kommunikation Gegenstand seiner Betrachtungen.
Hirtenwort zum Hochfest Christkönig 2011
Liebe Schwestern und Brüder,
in diesem zu Ende gehenden Kirchenjahr sind wir katholische Christen reich beschenkt worden. Es ist mir gar nicht möglich, alles aufzuzählen. Aber aus der vielfältigen Feier des Kirchenjahres, den zahlreichen Gottesdiensten und Feiern anlässlich denkwürdiger Ereignisse in den Gemeinden ragen die diözesanen und überdiözesanen Ereignisse heraus. Ich denke dabei an die Ulrichswoche in unserem Bistum, den Weltjugendtag in Madrid und den Besuch des Heiligen Vaters, Papst Benedikt XVI., in unserem Land. Seine geistliche Botschaft wird uns noch sehr lange beschäftigen müssen.
Unvergesslich wird mir die Vigil zum Weltjugendtag in Madrid bleiben. Auf den ersten Blick schien sie gründlich verhagelt worden zu sein. Aber nach einem verheerenden Gewittersturm, der Elektronik und Programm gehörig durcheinanderbrachte, verharrten an die eineinhalb Millionen Jugendliche mehrere Minuten lang einmütig schweigend und betend vor dem ausgesetzten Allerheiligsten in der Monstranz. Alle Kosten, alle Strapazen, alle Hitze und alle noch so weiten Wege waren nichts gegen diese wunderbare Erfahrung der Einmütigkeit im Gebet.
Ich will nicht verhehlen, dass aufgrund schwerer Organisationsmängel viele unserer Jugendlichen diese Erfahrung nicht machen konnten. Aber ich glaube, dass gerade auch ihr Aufbruch, ihre Geduld und ihr Einsatz gesegnet waren und nicht unwesentlich zum Gelingen dieses geistlichen Treffens beigetragen haben. Bei meinen Katechesen und bei den Eucharistiefeiern mit den Jugendlichen konnte ich das erleben. Hier wie da musste ich an die Gottesbegegnung des Propheten Elias auf dem Berg Horeb denken: Der Herr war nicht im Sturm und nicht im Erdbeben, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer.[(1) Aber er sprach zu uns auf vielfältige Weise, vor allem in seinem Wort und Sakrament.
Bei meiner ersten Katechese fragte mich der zuständige Jugendseelsorger, ob ich eine Art Dingsymbol dabei hätte. Damit meinte er ein kleines Bild oder einen Stein, ein Holzkreuz oder ein anderes Symbol, das ich den Jugendlichen hätte in die Hand geben können und mit dem sie sich später an den Inhalt meiner Katechese hätten erinnern können. Ich verfügte aber nicht über ein solches katechetisches Requisit. Ich hatte bei meinen Vorträgen ausschließlich auf das Wort gesetzt.
Später habe ich deshalb die Jugendlichen dazu aufgefordert, ihre Erinnerungen doch auf ein Wort, ja, eine Wortfamilie zu gründen, nämlich auf das Angesprochensein, den Anspruch und auf das Ansprechen.
Darüber, liebe Schwestern und Brüder, möchte ich im Folgenden mit Ihnen nachdenken:
1. Sich von Gott angesprochen wissen.
Der Brief an die Hebräer aus dem Neuen Testament beginnt mit den Worten:
„Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, …“(2)
Bezogen auf die Existenz unseres Planeten, das Leben auf der Erde, das menschliche Dasein, leben wir, graphisch dargestellt auf dem Zifferblatt einer Uhr, tatsächlich erst seit wenigen Sekunden. Es ist Endzeit – daran hat sich auch nach 2000 Jahren nichts geändert. Es ist Entscheidungszeit – aber nicht verstanden nach der Art von Sekten, die den Menschen mit der Ansage des Weltuntergangs Angst einjagen und sie für sich gewinnen wollen. Es ist Entscheidungszeit in der Ernsthaftigkeit des Glaubens und mit der einzigartigen Chance, die einem jeden Menschen mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus angeboten und eröffnet worden ist. Nach der Stunde auf Golgota – so sagt ein Dichter (Stefan Andres) – kann nichts mehr geschehen, was die Welt noch wesentlich verändern könnte.
Gott selber hat uns nämlich unüberbietbar angesprochen in seinem menschgewordenen Sohn. Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Wenn wir vor dem Empfang der Hl. Kommunion bitten: - … sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund - sollten wir daran denken: Gott selber ist das Wort, das tröstet und befreit.
Er selbst hat doch den Mose aufgefordert, sein Volk herauszuführen aus Ägypten.
Er selbst hat doch zu seinem Volk gesprochen durch die Befreiung aus dem Sklavenhaus und die Errettung aus der Hand des Pharao beim Durchzug durch das Rote Meer.
Er selbst spricht doch zu uns im Sakrament der Taufe als zu seinen Kindern.
Er selbst spricht doch im Sakrament der Buße das befreiende Wort, das wir uns selbst nicht sagen können.
Wenn Israel beherzigt hätte, dass Gott zuerst zu ihm gesprochen hat als sein Befreier, es hätte sich wohl kaum so schwer getan, den Bund zu halten.
Wenn uns immer und überall bewusst wäre, dass wir Gottes geliebte Kinder sind, wir täten uns wohl auch viel leichter, die Gebote zu befolgen.
2. Den Anspruch wahrnehmen …
Aus der tiefgehenden Ansprache des himmlischen Vaters in der Menschwerdung seines Sohnes erwächst für uns der höchste Anspruch unseres Glaubens, wenn wir bekennen: Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du kommst in Herrlichkeit.
Verspüren wir den Anspruch, der für uns daraus ergeht?
Nehmen wir wahr, dass das – im Bild gesprochen – bedeutet, die Hl. Messe Tag für Tag mit dem Brot des eigenen Lebens zu feiern und uns verwandeln zu lassen, um ein „anderer Christus“ für unsere Mitmenschen zu sein? Die Feier der Hl. Eucharistie ist die tiefste Feier des Wortes Gottes. Sie ist die Feier auf dem Wege, die erfüllt ist bei der Wiederkunft des Herrn. Aber dieser Anspruch Gottes ergeht nicht etwa ausschließlich bei der Feier der Eucharistie an uns. Auf viele andere Weise können wir ihn wahrnehmen: Im Gottesdienst und im Gebet, in der Feier der Sakramente, bei der Betrachtung der Hl. Schrift und in jeder Tat der Liebe. Wir müssen uns nur dem Anspruch stellen wollen. Wer sich aber dem Anspruch Gottes stellt, wird daraus Kraft und Zuversicht gewinnen.
3. … und ansprechend weitergeben.
Wer sich von Gott selber angesprochen weiß, wer seinen Anspruch wahrnimmt und dadurch seinem Leben eine Richtung gibt, kann gar nicht anders, als von dem zu reden, was ihn bewegt.
„Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“(3) , bezeugen die Apostel Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat. Und Petrus fordert uns dazu auf: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“(4)
Zwei wesentliche Voraussetzungen sind erforderlich, um dieser Anforderung zu entsprechen. Wir müssen dazu gleichermaßen fähig sein und bereit.
Wer im Dienst der Verkündigung der Kirche steht, weiß um die Schwierigkeit, den Glauben in einer zeitgemäßen Sprache zu verkünden. Wir müssen eine Sprache sprechen, die unsere Mitmenschen verstehen, ohne dass wir unseren Glauben verkürzen und verfälschen. Man muss aber kein studierter Theologe sein, um über ein ausreichendes Glaubenswissen zu verfügen. Der Katechismus der Katholischen Kirche und der neue Jugendkatechismus (YOUCAT) können uns dabei eine starke Hilfe sein.
Den Anspruch Gottes ansprechend weiterzugeben, bedeutet aber nicht nur, jeweils die geeigneten Worte zu finden. Auskunft zu geben von der Hoffnung, die uns beseelt, muss keineswegs nur reden heißen. Unser Herr hat alle seine Reden durch Zeichen und Wunder beglaubigt und bekräftigt. Ein glaubwürdig gelebtes christliches Leben, spricht eine unmissverständliche Sprache, die nicht überhört werden wird.
Noch nie hatten wir solche Möglichkeiten, unseren Glauben in Wort und Schrift zu bilden, zu vertiefen und zu erneuern!
Noch nie war uns wohl solche Freiheit gegeben, in Frieden unserer Sendung nachzugehen und unseren Glauben zu leben und zu bezeugen!
Wenn uns der Apostel dazu auffordert, Auskunft über unsere Hoffnung zu geben, vergisst er nicht hinzuzufügen: „… antwortet aber bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen, …“(5) Wenig später aber erklärt er: Die Taufe „ … ist eine Bitte an Gott um ein reines Gewissen aufgrund der Auferstehung Jesu Christi.“(6) Weil Gott uns zuerst als seine geliebten Kinder angesprochen hat in der Taufe auf den Tod und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus, können wir seine Liebe ansprechend weitergeben.
Ein kleines, aber besonderes Ereignis in jüngerer Zeit hat mich sogar meine Einstellung zu den Mitteln der modernen Kommunikation überdenken lassen. Ich muss niemandem erklären, dass uns auch damit bei aller möglichen Gefährdung großartige Möglichkeiten eröffnet worden sind, die gute Nachricht von Gott ansprechend weiterzugeben.
Es war auf der Fahrt zur Einführung des neuen Erzbischofs von Berlin. Auf einem Gewerbepark neben der Autobahn. Hoch oben stand es geschrieben. In großen schwarzen Lettern auf weißem Grund. Eine himmlische SMS! Ein göttlicher Twitter! Die Zusage:
ICH HALTE DICH
und unterschrieben:
GOTT
GOTT
Diese unvermittelte Botschaft aus dem Dunkel der Nacht hat mich sehr bewegt, begeistert und getröstet. Gern möchte ich diesen Trost an jede einzelne, an jeden einzelnen von uns weitergeben. Gott hält Dich! Gott hält Euch!
Dazu segne, beschütze und halte Sie der barmherzige Gott
der + Vater und der + Sohn und der + Heilige Geist. Amen
Augsburg, im November 2011
gez.
+ Konrad Zdarsa
Bischof von Augsburg
(1) 1 Kör 19,11ff
(2) Hebr 1,1f
(3) Apg 4,20
(4) 1 Petr 3,15
(5) 1 Petr 3,16
(6) 1 Petr 3,21b
Fotos: Bischof Dr. Konrad Zdarsa während einer hl. Messe anlässlich einer Orgelweihe, privat
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