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Donnerstag, 15. September 2011

Wahrheit - oder Diktatur der Beliebigkeit

Cooperatores veritatis - Mitarbeiter der Wahrheit  
lautete der Wappenspruch von Joseph Kardinal Ratzinger, dem jetzigen Papst Benedikt XVI.


Im Gespräch mit Peter Seewald erklärt der damalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, warum der Mensch die Wahrheit erkennen und ihr folgen muss:


Bild: wikipedia
"Ich habe im Laufe meines geistigen Weges sehr stark das Problem empfunden, ob es nicht eigentlich eine Anmaßung ist zu sagen, wir könnten Wahrheit erkennen – angesichts all unserer Begrenzungen. Ich fragte mich auch, wie weit man diese Kategorie nicht besser vielleicht zurückdrängen müßte. Im Verfolgen dieser Frage konnte ich dann allerdings beobachten und auch begreifen, daß der Verzicht auf Wahrheit nichts löst, sondern im Gegenteil zur Diktatur der Beliebigkeit führt. Alles, was dann bleiben kann, ist eigentlich nur von uns entschieden und austauschbar. Der Mensch entwürdigt sich selbst, wenn er nicht Wahrheit erkennen kann; wenn alles eigentlich nur Produkt einer einzelnen oder kollektiven Entscheidung ist.

Auf diesem Weg ist mir klargeworden, wie wichtig es ist, daß der Begriff Wahrheit ungeachtet der Bedrohungen, der Gefährdungen, die er zweifellos einschließt, uns nicht verlorengeht, sondern als zentrale Kategorie stehenbleibt. Als eine Forderung an uns, die uns nicht Rechte gibt, sondern die im Gegenteil unsere Demut und unseren Gehorsam verlangt und die uns auch auf denWeg des Gemeinsamen bringen kann. Aus einem längeren Ringen mit der geistigen Situation, in der wir stehen, ist für mich langsam dieser Primat der Wahrheit sichtbar geworden, der, wie gesagt, nicht einfach abstrakt gefaßt werden kann, sondern natürlich Einbindung in Weisheit verlangt."

aus:  Joseph Kardinal Ratzinger, Salz der Erde, Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende; Ein Gespräch mit Peter Seewald; s. Quellen

(Hervorhebungen durch Administrator) 

3 Kommentare:

  1. Diktatur der Beliebigkeit? Da diktiert jemand den Menschen nach Belieben zu leben, zu glauben, die Wahrheit zu erkennen? Jeder wie er nach Belieben will? Es wird diktiert, dass jeder nach Belieben entscheiden kann? Und das soll eine "Diktatur" sein? Aba geh! Eine Diktatur ist doch ganz was anderes. Da entscheidet EINER (oder eine kleine Gruppe), was JEDER zu tun und zu lassen hat, zu glauben hat, wie er und sie zu leben hat, was man darf oder nicht darf.
    Beliebigkeit gibts in einer echten Diktatur nicht. Beliebigkeit ist Diktatur diametral entgegengesetzt. Wie kommt man bloss drauf, man könnte in einer Diktatur nach Belieben leben, entscheiden, glauben, arbeiten?

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  2. Für F.M.

    Offensichtlich haben Sie den Begriff „Diktatur der Beliebigkeit“ falsch verstanden.

    Es geht nicht darum, dass in dieser von Joseph Ratzinger so genannten Diktatur der Beliebigkeit „Jemand“ „den Menschen diktiert nach Belieben zu leben“ usw. (s. o), wie z.B. in der Diktatur Ghaddafis auch nicht jemand den Menschen diktiert hat, so wie Ghaddafi zu leben.
    Deswegen geht Ihre Frage „Wie kommt man bloss drauf, man könnte in einer Diktatur nach Belieben leben, entscheiden, glauben, arbeiten?“ auch an der Sache vorbei.

    Beliebigkeit (oder auch „Relativismus“) ist selbst die Ursache für die daraus folgenden ungünstigen oder schädlichen Folgen dieser sich zur Diktatur ausgeweiteten Mentalität (oder schon Ideologie?). Was Sie richtig meinen, ist die Tatsache, dass Diktatur einengt, den Blick auf die Realität verhindern will und u.U. zerstörerisch wirkt.

    Wendet man das an auf Menschen, die in diesem System der Beliebigkeit leben, das zwanghaft eine objektiv erkennbare Wahrheit ablehnt, so folgt daraus, dass diesen Menschen tatsächlich die Möglichkeit vorenthalten wird, sich mit der Realität auseinanderzusetzen.
    Dass diese Mentalität – zumindest in den westlich-säkularen Gesellschaften – zunimmt oder schon vorherrschend ist, kann jeder erkennen, der wachen Auges dem Zeitgeschehen folgt.

    Als Christen glauben wir an Gott, an Jesus Christus, den menschgewordenen Gott, der von sich sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh 14,6). Wir halten diesen Glauben für wahr.
    Und um es mit Josef Bordat (s. http://jobo72.wordpress.com/2011/09/15/der-kleine-unterschied/) zu sagen:
    "Dass die Kirche ihre Wahrheit nach außen auch entsprechend als Wahrheit vertritt, sollte daher auch nicht verwundern. Aber die Kirche zwingt Niemanden, sich an ihre Lehre zu halten, noch nicht einmal die eigenen Mitglieder."

    Eben von diesem katholischen Wahrheitsverständnis her ist der Begriff „Diktatur der Beliebigkeit“ zu verstehen. Es geht dabei um nichts anderes als um die Wahrheit. Und alles andere ergibt sich daraus.

    Noch ein Aufruf des II. Vatikanischen Konzils, der das Verhältnis des Christen zur Wahrheit betrifft:
    „Diese Liebe und Güte (Anm.: gegenüber Andersdenkenden) dürfen uns aber keineswegs gegenüber der Wahrheit und dem Guten gleichgültig machen. Vielmehr drängt die Liebe selbst die Jünger Christi, allen Menschen die Heilswahrheit zu verkünden.“ (Gaudium et Spes; Über die Kirche in der Welt von heute 28)

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