Papst Benedikt XVI. hält eine neue liturgische Bewegung in der ganzen Kirche für eines der vordringlichen Anliegen, um dem Glauben in der Welt wieder Kraft zu verleihen.
Romano Guardini war einer der herausragenden Köpfe der Liturgischen Bewegung des letzten Jahrhunderts.
Hier kann eine neue liturgische Bewegung sicher an vielem, was dann nicht oder zu wenig zum Tragen kam (oder in Vergessenheit geriet), anknüpfen.
Einige bemerkenswerte Gedanken zum "Ich" und / oder "Wir" in der Liturgie:
Nachdem Guardini das "persönliche Gebet" dem "liturgischen Gebet" (das, wie er sagt, genauer "liturgisches Geschehen" ist) gegenüber gestellt hat, fährt er in dem Kapitel "Die Liturgie" fort:
"Im persönlichen Beten ist der Mensch mit Gott und sich selbst allein, die Liturgie hingegen wird vom christlichen Gesamt getragen. In ihr heißt es nicht "Ich", sondern "Wir". Und zwar bedeutet dieses "Wir" nicht nur, dass viele einzelne zusammenkommen. Es ist keine Summe, sondern ein Ganzes: die Kirche. Sie besteht, auch wenn dieser oder jener oder viele sich von ihr trennen; denn sie geht nicht aus dem Verlangen Einzelner nach Gemeinschaft, sondern aus dem schöpferischen Willen Gottes hervor, welcher das Ganze der Menschheit als solches ergreift.
Sie ist durch Christus gestiftet und am Tage der Pfingsten geboren worden und besteht, ob Menschen und Zeiten wollen oder nicht. Von Christus zur Trägerin seiner Sendung gemacht, hat sie den Einzelnen und den Vielen gegenüber Autorität. "Wer nicht auf die Kirche hört, sei dir wie ein Heide und Zöllner", hat der Herr gesagt. (Mt 18,17). Ja in ihr ist nicht nur das Gesamt der von Christus ergriffenen Menschheit, sondern auch, wie Paulus und Johannes lehren, das der Welt erfasst. So ist die Kirche letztlich das geheiligte All; die im Walten des Heiligen Geistes werdende neue Schöpfung. (Eph. 1,3-23; Kol. 1, 3-20).
Andererseits besteht sie aber nicht neben dem einzelnen Menschen, sondern in ihm. Ein und derselbe Mensch ist Glied der Kirche, sofern er zu ihrer Ganzheit gehört, und wiederum Einzelner, sofern er aus seiner personalen Mitte heraus Gott gegenüber steht. Diese Kirche ist es, die in der Liturgie handelt und redet.
So ist die Haltung des Einzelnen, wenn er die liturgische Handlung mitvollzieht und das liturgische Wort mitspricht, eine andere als im persönlichen Gebet. Weder etwas neben diesem noch ein Widerspruch dazu, vielmehr sein im Zusammenhang des christlichen Daseins notwendiger Gegenpol. Darin tritt der Mensch aus seiner Besonderheit heraus und wird Glied des Ganzen; lebendiges Organ, in welchem sich das große, objektive Tun und Sprechen der Kirche ausdrückt."
Daher bekommt alles, was "Gesetz" heißt, eine andere Bedeutung. Das Gebet des Einzelnen bedarf seiner, um gesund und geordnet zu bleiben; im übrigen soll es aus der Ursprünglichkeit der inneren Bewegungen hervorgehen.
Im Bereich des liturgischen Betens und Tuns hingegen hätte eine solche Ursprünglichkeit keinen Sinn, sondern würde zu Willkür und Verwirrung führen. So hat die Kirche aus langer Erfahrung und durch immer neue Prüfung und Formung das liturgische Geschehen geordnet. Diese Ordnung ist nicht nur Rat, sondern eine Norm und verpflichtet den Einzelnen zum Gehorsam.
In der Liturgie gibt es keine Freiheit. Richtiger gesagt, keine individuelle, denn eine Freiheit ist auch in ihr. Sie gehört aber nicht zum Willen des Einzelnen, sondern zu dem der Kirche, in welchem der Heilige Geist waltet und zeigt sich darin, dass es in der Liturgie keine Zwecke gibt; dass sie nichts erreichen, sondern nur vor Gott dasein, atmen und sich entfalten, ihn lieben und loben will. Diese Freiheit wirkt sich in großen Bewegungen durch den Raum der Welt und den Gang der Jahrhunderte hinaus; so reicht ihr Akt nach Sinn und Maß über den des Einzelnen weg und wird diesem gegenüber zur Norm.
Liturgisches Tun und Beten ist also in einem viel strengeren Sinne als das Gebet des Einzelnen "Dienst". Die heiligen Handlungen sind in uralter Überlieferung bis in Einzelheiten hinein festgelegt. Die Texte sind von der Kirche geprüft und müssen so gesprochen werden, wie sie in den liturgischen Büchern stehen.
Der Gläubige aber, der die Liturgie mitvollzieht, wird es um so reiner und richtiger tun, je aufrichtiger er sich von seinen privaten Wünschen löst. Im persönlichen Beten darf er dem Antrieb seines Herzens folgen; wenn er aber an der Liturgie teilnimmt, soll er sich einem anderen Antrieb öffnen, der aus mächtigerer Tiefe entspringt; aus dem Herzen der Kirche, welches durch die Jahrtausende hin pulst.
Hier kommt es nicht darauf an, was ihm persönlich gefällt, wonach ihm gerade der Sinn steht, oder was für besondere Sorgen ihn beschäftigen. Das alles soll er hinter sich lassen und in die große Bewegung des liturgischen Geschehens eintreten. Und ebendadurch, dass er so von sich selbst weggeht, vollzieht sich die erste, immer wieder zu erfahrende Wirkung des Liturgischen: es löst vom Selbst los und macht frei."
(Hervorhebungen durch Administrator)
Bild oben: Romano Guardini (um 1920)
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